Vor 25 Jahren habe ich meine Tochter zur Welt gebracht. Es war eine Spontangeburt in einer Klinik, ich wurde von einer kundigen Hebamme begleitet, die mir Anleitung und Unterstützung gab. Keine Medikamente, kein operativer Eingriff nichts. Eine natürliche Geburt, wie auch hessnatur sie befürwortet. Für das Wohlbefinden des Neugeborenen sorgen wir nach der Entbindung durch Windeln, Hemdchen und Strampler aus puren Naturfasern, ohne Gift, ohne Schaden für Mensch, Tier und Umwelt.
In etwa drei Wochen wird nun meine Tochter ihr erstes Kind zur Welt bringen. Der Ultraschall sagt, es wird wieder ein Mädchen werden. Nur eine Hebamme hat meine Tochter nicht. Sie hat keine gefunden. Sie hofft auf die Hebamme in der Klinik, in der sie entbinden wird. Ich war einigermaßen fassungslos, als ich hörte, dass meine Enkelin keine Betreuung durch eine „weise“ Frau erhalten soll. Doch meine Tochter ist kein Einzelfall.
Bereits Ende 2013 haben deutsche Hebammen und Eltern den Bundestag auf unhaltbare Zustände für die Geburtsbegleitung aufmerksam gemacht: Hebammen verdienen durchschnittlich 8,50 Euro die Stunde – bei immer weiter steigenden Beiträgen zur Berufshaftpflichtversicherung. Zieht man Steuern und sonstige Kosten ab, bewegt sich der Einsatz der Geburtshelferinnen schon fast im Bereich der ehrenamtlichen Betätigung. Grund dafür sei, dass seit circa zehn Jahren die Löhne der Hebammen nicht mehr angepasst worden seien, so Weleda-Hebamme Christina Hinderlich.
„Alles, was es an Lohnsteigerung gab, ist in die stetig teurer werdende Berufshaftpflicht geflossen. Immer mehr meiner Kolleginnen sehen sich gezwungen, ihren Beruf an den Nagel zu hängen.“
Am 20. November konnte der Passus, dass die Große Koalition für eine angemessene Vergütung der Hebammen sorgen werde, in den Koalitionsvertrag aufgenommen werden. Doch kaum war die eine Kuh vom Eis, ist die nächste wieder losgerutscht. Mitte Februar hat eine der drei Versicherungsgesellschaften, die die Berufshaftplicht der Hebammen übernehmen, angekündigt, sich bis zum 30. Juni 2015 aus dem Geschäft zurückzuziehen.
Klar, Hebammen zu versichern ist in Zeiten, wo Krankenversicherungen gehalten sind, „wirtschaftlich“ zu arbeiten und immer mehr Eltern gezwungen werden, im Falle einer Behinderung ihres Kinders die Hebammen auf einen Fehler bei der Geburt zu verklagen, um die Versicherung bei der Versorgung dieses Kindes zu entlasten, ist risikoreich und teuer. Bis zu 20 Schadensfälle im Jahr würden gerichtlich bestätigt, weiß Christina Hinderlich. „Wenn früher ein behindertes Kind eine Lebenserwartung von etwa 20 Jahren hatte, dann ist diese durch den Fortschritt in der Medizin heute dankenswerterweise auf eine Erwartung von 60 Jahren gestiegen. Das zieht immense Kosten nach sich, viele Millionen Euro“, so Hinderlich.
Und noch etwas, ein Aus für die Berufshaftpflicht der Hebammen, gefährdet nicht nur Freiberuflerinnen. „Eine festangestellte Hebamme im Krankenhaus ist vielleicht für eine Schadenssumme von einer Million Euro versichert. Das ist aber zu knapp, deshalb sind auch angestellte Hebammen auf eine zusätzliche Haftpflicht angewiesen“, weiß Hinderlich. Steht jetzt also die flächendeckende Versorgung der Bundesrepublik Deutschland mit Hebammen vor dem Aus? Eine absurde Situation, die laut einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte von 2010 gegen Artikel 8 der Charta verstößt: In ihm sind die Rechte der Familien festgeschrieben. Dazu gehört auch, dass eine Gebärende die freie Wahl hat, wo sie entbinden möchte. Zuhause, in einem Geburtshaus oder in einer Klinik. Wie das wohl gehen soll, ohne Hebammen?
Macht mit und rettet unsere Hebammen!
Information
Was kostet eine Geburt?
Geburt im Geburtshaus: 467,20 Euro
Hausgeburt: 548,80 Euro
Vaginalgeburt in einer Klinik: 1.594 bis 2.146 Euro
Kaiserschnitt: 2.505 bis 5.366 EuroDie Kaiserschnittrate lag 2012 bei etwa 30%. Etwa 2% aller Geburten fanden außerklinisch statt.